Strafprozessrecht

Urteil 6B_888/2019 vom 9.12.2019

Art. 11 Abs. 1 StPO. Eine fehlerhafte, aber rechtskräftig gewordene Teileinstellungsverfügung steht der Verurteilung wegen desselben Lebenssachverhalts entgegen («ne bis in idem»); das Konkurrenzverhältnis zwischen den anwendbaren Strafnormen spielt keine Rolle.

Urteil 6B_1113/2018, 6B_1139/2018 vom 10.12.2019

Art. 182 StPO. Holt das Gericht kein Gutachten ein, obschon es gemäss eigener Einschätzung nicht über genügend Fachwissen verfügt, um den Sachverhalt zu beurteilen, missbraucht es sein Ermessen.

Luzern, Kantonsgericht, 1. Abteilung (2M 18 33 = LGVE 2019 I Nr. 4) 4.2.2019

Art. 429 StPO. Entschädigung für die Aufwendungen eines Strafverfahrens: Aufwendungen, die durch Privatermittlung (Parteigutachten etc.) entstanden sind, können nur dann nach Massgabe von Art. 429 StPO entschädigt werden, wenn sie zur Strafverteidigung geboten waren. Dies bedingt grundsätzlich, dass die Ergebnisse der Privatermittlung den Endentscheid kausal beeinflusst haben.

Urteil 1B_595/2019 vom 10.1.2020

Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO. Bei Vermögensdelikten ist die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr nur in besonders schweren Fällen gerechtfertigt, nicht aber, wenn keine Gewaltanwendung zu befürchten ist oder es sich um geringe Deliktsbeträge handelt.

Urteil 1B_24/2020 vom 3.2.2020

Art. 5 Abs. 1 EMRK, Art. 221 und Art. 229 ff. StPO. Entgegen der Ansicht des EGMR besteht in der Schweiz eine lange und konstante Rechtsprechung für die Anordnung der Sicherheitshaft in nachträglichen Verfahren.

Bern, Obergericht, Beschwerdekammer (BK 19 78) 2.5.2019

Art. 104 Abs. 2 und Art. 382 Abs. 1 StPO. Beschwerdelegitimation der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern (BVD) gegen den Entscheid über die Verlängerung einer Massnahme nach Art. 59 StGB.

Bern, Obergericht, Beschwerdekammer (BK 19 100) 23.5.2019

Art. 65 Abs. 1 und Art. 393 Abs. 1 lit. b 2. Satzteil StPO. Zulässigkeit von Beschwerden gegen die Nichtentfernung (angeblich) unverwertbarer Beweise.

Urteil 6B_114/2019 vom 26.2.2020

Art. 9, Art. 325 StPO. Erachtet das Gericht die Anklageschrift gegen mehrere Beschuldigte, denen identische Vorwürfe gemacht werden, als ungenügend, weil die Tatvorwürfe nur bei einem der Beschuldigten umschrieben und nicht auch in die Teile der Anklageschrift betreffend die anderen Beschuldigten eingefügt wurden, handelt es übertrieben formalistisch.

Urteil 1B_443/2019 vom 18.3.2020

Art. 60 Abs. 3 StPO, 410 Abs. 1 StPO. Mit einem Revisionsgesuch können nur rechtskräftige materielle Sachurteile angefochten werden, auch wenn dabei ein nachträglicher Ausstandsgrund gegen einen Richter geltend gemacht wird.

Strafrecht, Justiz und Menschenrechte in Zeiten von Covid-19

Auch Strafjustiz und Menschenrechtspraxis waren in den vergangenen Monaten von Hektik, Aufregung und Verwerfungen geprägt. In der Schweiz erfolgten Aufrufe zu einem «Justizlockdown» und zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundesanwalt. Wichtige Strafprozesse wurden verfahrensfremd beeinflusst oder scheiterten gar. Das Bundesgericht hatte sich mit erratischen Urteilen des Strassburger Euro…