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From the magazine SJZ-RSJ 19/2022 | S. 934-941 The following page is 934

Abschied von iura novit curia und der Rechts­einheit?

Zur Abkehr von einer zweitausendjährigen Tradition durch die neuste bundesgerichtliche Rechtsprechung

In Art. 57 ZPO wurde iura novit curia für alle rechtsanwendenden Gerichte (ohne Ausnahme) normiert. Entgegen diesen Vorgaben hat BGer 5A_74/2019 vom 1. Februar 2019 E. 4.2 das Erfüllen einer «materiellen Letztinstanzlichkeit» gefordert: Damit das Bundesgericht auf ein Rechtsmittel eintritt, müssen die Argumente bereits vor der Vorinstanz vorgetragen worden sein. Damit hebelt es einen zweitausendjährigen Grundsatz aus, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage und einen Blick dafür zu haben, dass Rechtsuchende (statt Vorinstanzen) primär zu schützen sind. Für diese Einschränkung der Kognition besteht weder Anlass noch Gesetzesgrundlage. Zu empfehlen ist, sich auf die von Munzinger und Huber konzipierte Rechtseinheit zurückzubesinnen.

L’art. 57 CPC constitue le principe iura novit curia pour tous les tribunaux (sans exception) appliquant le droit. Contrairement à cette norme, le Tribunal fédéral a posé l’exigence d’une «dernière instance au fond»: pour qu’il entre en matière sur un recours…

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